Bisher hatte ich noch nichts von Alessandro Baricco gelesen, dem 1958 in Turin geborenen Musikwissenschaftler und Philosophen. Er gehört inzwischen zu den bekannteren italienischen Autoren und hat mehrere Preise gewonnen.

Mit „Seide“ feierte er seinen internationalen Durchbruch, als dieses Werk 1996 erschien.
Der junge Hervé Joncour lebt in einem kleinen Dorf, das von der Herstellung von Seidenkleidung lebt. Er selbst ist Seidenraupen-Händler und arbeitet immer nur für wenige Wochen im Jahr, in denen er in Afrika die neuen Seidenraupen einkauft. Ansonsten lebt er mit seiner Frau ein schlichtes Leben. Doch dann kommt eine Epidemie, die die Seidenraupen eingehen lässt. Alle in Afrika auffindbaren Larveneier scheinen betroffen. So begibt sich Hervé auf eine lange und gefährliche Reise nach Japan, da man sich sagt, dort seien die Raupen noch rein und nicht infiziert.
Japan ist jedoch für Ausländer nicht geöffnet. Hervé begibt sich auf die Reise und trifft dort auf den Fürst Hara Kei. Dieser verschafft ihm die gewünschten Raupen. Während seines Aufenthaltes begegnet Hervé kurz einem Mädchen, das keine Japanerin zu sein scheint. Diese flüchtige Begegnung berührt ihn sehr.
Wieder zurück, erreicht er einigen Wohlstand, da sein Dorf als einziges in der Lage ist, weiterhin Seide zu produzieren.
Ein Jahr später reist Hervé erneut zu Hara Kei. Die junge Frau von damals gibt ihm einen Brief mit, den er irgendwann übersetzen lässt. Vor seiner nächsten Reise nach Japan bricht dort Krieg aus, doch Hervé reist erneut. Dort angekommen, liegt Hara Keis Hof in Schutt und Asche. Mit Hilfe eines Jungen findet Hervé den Warlord und sieht ein letztes Mal die geheimnisvolle Frau. Er kauft Larven ein, die jedoch auf der Reise kaputt gehen und ihm einen großen finanziellen Verlust einbringen.
Zurück in der Heimat zieht sich Hervé in sich zurück, ist auch für seiner Frau eher verschlossen.
Dann erreicht ihn erneut ein Brief mit japanischen Schriftzeichen…

Beim Lesen dieses kleinen Romans entstehen viele eindrückliche Bilder in einem. Ich musste ständig an die Kirschblüte in Japan denken. Das Geschäft mit den Seidenraupen hat mich allerdings sehr nachdenklich gemacht. Ich trage selbst nie Seide, weil ich den Stoff nicht mag, aber nachdem mir jetzt noch einmal wirklich bewusst wurde, wie Seide „hergestellt“ wird, möchte ich dieses Massenausbeuten und –sterben für „schicke“ Kleidung nicht unterstützen. Das fand ich sehr erschütternd.
Die langen, beschwerlichen Reisen auf der Seidenstraße fand ich beeindruckend. Einerseits beschwerlich, andererseits bleibt einem heute durch den Schritt ins Flugzeug so viel verborgen von der Welt…

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