Nachdem ich vor einigen Wochen „Ismaels Orangen“ von Hajaj beendet hatte, war mir danach, mehr Geschichten um Israel und die Konflikte des Landes zu erfahren. So kam es, dass mir Shalevs „Zwei Bärinnen“ begegnete.
Klappentext:
In einem Dorf im Norden Israels begehen im Jahr 1930 drei Bauern Selbstmord. So steht es in den Akten, aber alle im Dorf wissen, dass nur zwei der angeblichen Selbstmörder Hand an sich gelegt haben. Der dritte wurde ermordet. Siebzig Jahre sind seither vergangen. Ruta Tavori, Lehrerin am örtlichen Gymnasium, weiß, wer diesen Mord begangen hat, und will nun davon erzählen. Davon und von den Männern ihrer Familie: ihrem Großvater, ihrem Mann, ihrem Bruder und ihrem Sohn – den Männern, die sie liebt, denen sie zürnt, nach denen sie sich sehnt und denen sie zu verzeihen versucht. Eine Geschichte über Männerfreundschaften und die Liebe einer Frau, über Leidenschaft und Untreue, über Verlust, Rache und deren Sühne.
Ich muss gestehen, dass es mir selten so schwer viel, eine Rezension über ein Buch zu schreiben, wie bei Meir Shalevs Roman „Zwei Bärinnen“. Das lag mit Sicherheit nicht daran, dass er mir nicht gefallen hätte. Im Gegenteil, fand ich diesen Roman sehr gut, spannend und bewegend. Doch hat dieser Roman so eine Bildkraft und Durchdringlichkeit, dass ich nun fast drei Wochen gebraucht habe, um ausreichend Abstand für eine Rezension zu haben (ähnlich geht es mir derzeit übrigens noch mit dem Roman „Das achte Leben“ von Nino Haratischwili). Meir Shalevs Werk ist sehr von alttestamentarischem beeinflusst und außerdem ist der in Jerusalem lebende Schrifsteller ein politischer Mensch. Von beidem kann und will er sich während des Schreibens nicht loslösen. Und so entstehen Werke, die eine Dringlichkeit und eine Weite mit sich bringen, die man erst einmal in sich aufnehmen und verdauen muss.
Wir reisen mit der Historikerin Warda in das kleine Dorf Moschawa in Israel. Warda recheriert über den Jichuw. (Jichuw ist m. W. die Bezeichnung für die Völkerbildung in Palästina vor der Gründung Israels.) In Moschawa trifft Warda die Bibellehrerin Ruta. Ruta, letzte ihres Geschlechts, ist die einzige, die Warda noch die ganze Geschichte ihrer Familie und des toten Mannes unter Maulbeerbaum erzählen kann. Ihr Großvater hatten diesen Mann, seinen Nebenbuhler, erschossen und den Mord als Selbstmord getarnt. Das Kind, dass aus der Affäre seiner Frau entstand, musste auch sterben. Sehr viel später wird jedoch Rutas Großvater Seev erkennen, was er angerichtet hat. Auch er wird ermordet. Und während Seevs Geschichte hier endet, beginnt die Geschichte von Rutas Mann, die ebenfalls tragisch und beklemmend ist. Und so geht es weiter und weiter – als Leser taucht man ein in eine bewegte Familiensaga vor dem Hintergrund des Jichuw.
Ich fand Ruta als Erzählerin sehr kraftvoll. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, ist dominant und besteht darauf, ihre Geschichte so zu erzählen, wie sie es möchte und wie sie die Begebenheiten in ihrer Familie sieht.
Aber die Art ihres Erzählen übte teilweise zwar einen starken Sog auf mich aus, weil ich in ihre Geschichte und Bilder durch die Dringlichkeit ihrer Worte, hineingezogen wurde.
Meir Shalevs Roman „Zwei Bärinnen“ ist im Diogenes Verlag erschienen. Es wurde aus dem Hebräischen von Ruth Achlama übersetzt und ist im Handel als gebundene Ausgabe für €22.90 und als eBook-Ausgabe für €20,90 erhältlich.
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