Bereits die euphorische Ankündigung des Verlegers Daniel Kampa aus dem Hause Hoffmann und Campe in der aktuellen Verlagsvorschau für den Herbst 2015 hatte mich neugierig auf das Debüt des Ungarn Péter Gárdos gemacht:
„Ganz selten erlebt man beim Lesen eines Manuskripts einen solchen magischen Moment: Das ist es – das ist Literatur, die bewegt, das wird ein Buch, das Millionen Menschen lesen und lieben werden – ein Buch für die Ewigkeit.“
Daniel Kampa
Umso mehr freute ich mich, als der Verlag mir, im Zusammenhang mit der Buchbesprechung des Romans „Fieber am Morgen“ in der Erstausstrahlung des „neuen“ Literarischen Quartetts heute Abend um 23.00 Uhr auf ZDF, ein Rezensionsexemplar anbot und die Sperrfrist für die Buchbesprechung auf den 02. Oktober vorverlegte. Als das Buch bei mir eintraf, war ich verzaubert von dem in Leinen gebundenen bedruckten Cover! So müssen Bücher aussehen, so müssen sie sich anfühlen! Ebenso wie in der wundervollen Ausgabe von Thomas Hettches „Pfaufeninsel“ aus dem Kiepenheuer & Witsch Verlag.
„Was ist Ihr Beruf, Miklós?“
„Ich war Journalist. Und Dichter.“
„Ach, ein Seeleningenieur. Wie schön.“
In „Fieber am Morgen“ erzählt Péter Gárdos die Geschichte seiner Eltern, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg kennenlernten. Gárdos Vater landete ebenso wie seine Mutter als Überlebende der Vernichtungslager nach dem Krieg in schwedischen Sanatorien für Flüchtlinge. An einer schweren irreversiblen und laut den Ärzten progredienten Lungenerkrankung leidend, beschließt Gárdos Vater Miklós einen Brief an 117 Frauen zu schreiben, um eine davon zu heiraten. Als ihm Lili antwortet, weiß er, dass sie die Richtige für ihn ist und setzt alles daran, ihr Herz zu gewinnen und gegen alle Widerstände – sei es seine Krankheit oder die schwedische Bürokratie – dafür zu sorgen, dass sie einer gemeinsamen Zukunft entgegen steuern.
Das Buch entwickelte von Beginn an eine unglaubliche Dynamik. Anfangs getragen von einer gewissen Selbstverleugnung, was die infauste Prognose der Ärzte bez. seiner Lunge anging, stürzte sich Miklós in ein verrücktes Abenteuer auf der Suche nach einer Frau. Zunehmend erlebte ich Miklós, den ich zunächst für etwas irre und realitätsfern hielt, zu einem lebensbejahenden tough cookie. Er lebt für die Korrespondenz mit Lili und fiebert jedem Brief von ihr entgegen.
Auf der anderen Seite erleben wir Lili, die fast verhungert mit Nierenproblemen, in einer weiter entfernten schwedischen Heilanstalt mit zwei Freundinnen auf ihre Genesung hofft. Sie ist stets bewegt und angetan von Miklós Briefen, ist jedoch im ersten Kontakt mit ihm erschrocken und zurückhaltend.
Auch die Rahmenfiguren sind gut und lebendig ausgearbeitet. Vor allem Miklós Freund Harry mochte ich sehr, weil er so „echt“ rüber kam. Und Lilis eifersüchtige Freundin Judit Gold mochte ich ebenfalls sehr, weil sie auf der ruhigeren Seite der Geschichte, nämlich Lilis Geschichte, die Dynamik aufrecht erhielt und man durch ihre Ängste und Intrigen weiter zum Lesen angetrieben wird.
Tief beeindruckt hat mich der Umgang mit dem in KZ erlebten. Die Art, wie Miklós und Lili damit bei ihrer Begegnung umgehen, was sie erlebt haben, ist so unglaublich gut bechrieben und trifft mit Sicherheit auf ganz viele Menschen, die den Schrecken des Krieges in seiner schlimmsten Art haben erleben müssen zu.
Warum das Buch „Fieber am Morgen“ heißt, darf jeder für sich selbst herausfinden.
Ich finde, dieses Debüt ist ein ganz großes und bin gespannt, was später die Damen und Herren vom Literarischen Quartett dazu sagen werden.
„Köszönöm szépen, Gárdos úr! Köszönöm szépen!“
Das Buch ist im Hoffmann und Campe Verlag erschienen. Übersetzt wurde es aus dem Ungarischen von Timea Tankó. Die wunderschöne gebundene Ausgabe kostet € 22,00, das ebook € 16,99. Das Hörbuch, gesprochen von Axel Wostry erscheint im Oktober und wird € 19,99 kosten.
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