Oh, ich liebte Hunt! Diesen, in meinen Augen nicht sehr charismatischen Geschichtsprofessor, der nur rumnölt und bissig ist.

Gemeint ist der Protagonist des Debütromans „Camebridge 5 – Zeit der Verräter“ von Hannah Coler. Hannah Coler  ist das Pseudonym der deutschen Historikerin Dr. Karina Urbach. Sie studierte in Camebridge (ebenfalls Geschichte) und war an zahlreichen Dokumentationen des ZDFs oder auch der BBC beteiligt. Heute lebt sie in der Nähe von New York.

In ihrem Roman ist Camebridge ein Ort der Spione. Vorher noch Freunde werden aus den Studenten oder Professoren und Dozenten bald schon Menschen, die einander verraten. Der Geschichtsprofessor Hunt hat schon lange keine Freunde mehr an der Universität. Unter seinen Studenten hat er den Ruf, hart mit ihnen umzugehen, immer das Beste zu verlangen und seine Studenten, die bei ihm eine Arbeit schreiben dürfen, streng auszuwählen (oder waren es Doktoranden? das weiß ich gerade nicht mehr…ist aber auch nicht sooo wichtig…). Eine dieser Studentinnen ist die Deutsche Wera, die über die Spionagegruppe „Cambridge 5“ schreiben möchte. Hierbei handelte es sich um 5 Studenten, die sich in den 1930er Jahren vom russischen Geheimdienst anheuern ließen. Über Jahrzehnte bestand dieser Deal. Besonders eine Figur hat es Wera angetan: Kim Philby, ein britischer Doppelagent, den es übrigens wirklich gab. Ebenso wie es den Spionagering Cambridge Five tatsächlich geben hat. Während Wera mit ihren Freunden, die ebenfalls Studenten Hunts sind, Recherchen durchführt, die mehr zutage bringen sollen, als das, was die Zeitungen der damaligen Zeit und die Akten, die der Geheimdienst freigab, überschauen ließen, geschieht in Hunts Büro ein Mord. Natürlich wird dieser direkt verdächtig, den gehassten Programmierer, mit dem er seit Jahren im Clinch liegt, getötet zu haben.
Doch wie sollte es anders sein? Irgendwie müssen doch der Mord und die Arbeit Weras an der Vergangenheit der Camebridge 5 zusammenhängen…

Ich habe mitbekommen, dass es wohl einige negative Kritiken zu dem Roman gab. Da hieß es unter anderem, der Klappentext sei irreführend, die Charakteren blieben blass und dünn, er habe keine Spannung. Gut, bei dem letzten Kritikpunkt gehe ich soweit mit. So wirklich umwerfend spannend, dass ich den Roman als Pageturner bezeichnen würde, fand ich ihn auch nicht. Aber ich habe auch nicht erwartet, dass ich einen Roman in den Hand nehme, der das Tempo eines Thrillers hat. Doch die Kritik, dass die Charaktere blass blieben und dünn wirkten, kann ich nicht nachvollziehen. Das Buch lebt von flotten, bissigen Dialogen, die es in sich haben und die das jeweilige Temperament der einzelnen Figuren treffend zum Vorschein bringen. Auch die Gedankengänge der Personen sind direkt und oftmals nicht sehr freundlich, wenn es um ihr Gegenüber geht. Und den Klappentext fand ich ebenfalls nicht irreführend. Es handelt sich um einen Spionageroman, der auf einer wahren Begebenheit beruht, die Hannah Coler gut mit Fiktion gefüttert und umgesetzt hat. Ich fühlte mich auf jeden Fall unterhalten.

Etwas langatmig fand ich jedoch die niedergeschriebenen Recherchen. Das fand ich verwunderlich, da ich normalerweise genau auf diese Art von Roman stehe. In Das Vermächtnis der Göttinnen zum Beispiel wurden ständig Akteneinträge und Briefwechsel abgedruckt, die das Lesen zu einem Erlebnis werden ließen. Ich fühlte mich damals, als sei  ich mitten drin in der Handlung. In „Cambridge 5“ allerdings rissen mich Weras Niederschriften jedoch immer wieder aus der Handlung des Romans raus.

Erschienen ist der Roman am 06. September 2017 im Limes Verlag, der zur Random House Verlagsgruppe gehört. Er kostet gebunden €19,99 und als eBook €15,99.
Bei dem hier besprochenen Buch handelt es sich um ein Rezensionsexemplar. Das bedeutet, ich habe das Buch vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt bekommen. Dies hat jedoch keinen Einfluß auf meine Meinung.

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