Erstmals wird in diesem Jahr ein Preis für den besten deutschsprachigen Debütroman über Buchblogger/ Literaturblogger vergeben. Ins Leben gerufen wurde die Aktion von den debütbegeisterten Frauen von „Das Debüt“. Nach der Ausschreibung auf genanntem Blog, konnten neu erschienene Debütromane aus dem deutschsprachigen Raum eingereicht werden. Anhand einer beachtlichen Liste, wurden dann von den Bloggerinnen von Das Debüt fünf Romane auf die Shortlist gewählt, die die teilnehmenden Literaturblogger anschließend lesen und bewerten durften. Morgen ist es nun soweit! Bis dahin müssen wir alle unseren Kandidaten für den diesjährigen Bloggerpreis benannt haben. Ich bin sehr gespannt, welcher der fünf Romane das Rennen machen wird!
Ich werde Euch nun alle fünf Bücher kurz vorstellen und Euch meine Leseeindrücke dazu mitteilen. Am Ende benenne ich meinen Favoriten mit Begründung und verlinke Euch noch zu den anderen Buch-/ Literaturbloggern, falls Ihr Lust habt, die Entscheidung selbst mitzuverfolgen.
1. Shida Bazyar – Nachts ist es leise in Teheran
Klappentext. 1979. Behsad, ein junger kommunistischer Revolutionär, kämpft nach der Vertreibung des Schahs mit seinen Freunden für eine neue Ordnung. Er erzählt von funkenschlagender Hoffnung, von klandestinen politischen Aktionen, und davon, wie er in der mutigen, literaturbesessenen Nahid die Liebe seines Lebens findet. Zehn Jahre später nimmt uns Nahid mit in die deutsche Provinz, wohin Behsad und sie nach der Machtübernahme der Mullahs mit ihren Kindern flohen. Stunde um Stunde verbringen sie vor dem Radio und hoffen auf Neuigkeiten von den Freunden, die untertauchen mussten. Sie wollen zurückkehren, unbedingt, und suchen zugleich eine Heimat in der Fremde. 1999 reist Laleh gemeinsam mit ihrer Mutter in den Iran. Zwischen »Kafishaps«, Schönheitsritualen und Familiengeheimnissen lernt sie ein Teheran kennen, das sich nur schwer mit den Erinnerungen aus der Kindheit deckt. Ihren Bruder Mo beschäftigt ein Jahrzehnt später der Liebeskummer seines Kumpels Tobi mehr als die pseudoengagierten Demos der deutschen Studenten. Doch dann bricht die Grüne Revolution im Iran aus und stellt Mos Welt auf den Kopf.
Shida Bazyar gelingt ein dichter, vielstimmiger und mitreißender Roman.

Meine Meinung. Ich muss gestehen, dass ich „Nachts ist es leise in Teheran“ nicht über die Leseprobe hinaus gelesen habe. Einen genauen Grund kann ich dafür nicht einmal nennen. Es ist gut geschrieben und die Geschichte war interessant. Doch wirklich gepackt hat es mich nicht. Ich dachte mir immer wieder: „Lies es einfach zum Schluss noch.“ Doch dann rannte mir die Zeit davon und kam nicht mehr dazu, es im Rahmen der vorgegebenen Zeit zur Hand zu nehmen. Die Meinungen zu diesem Roman scheinen jedoch auf allen Kanälen durchweg positiv und berichten von einer tiefgreifenden Familiengeschichte, die uns die jüngere Geschichte des Irans auf gut recherchierte, nie langweilige Weise näher bringen.

2. Uli Wittstock – Weißes Rauschen oder die sieben Tage von Bardorf
Klappentext. Der Tod war zu Gast im Funkhaus. Er hatte einen Termin mit Manfred Wilkhahn, einem prominenten Moderator der Volksmusik, der mit Tonbändern erdrosselt aufgefunden wird. Wie auf einem Mixtape zusammengeschnitten, werden nun die folgenden sieben dramatischen Tage erzählt, eine rasante Tour durch die Niederungen von Politik, Medien und Verbrechen. Zum Schluss stürzt die Stadt in einen Moment triebhaften Taumels, eine digitale Revolution, die ihre Kinder nicht frisst, sondern zeugt.

Meine Meinung. Wittstocks Roman hat mich frustriert und wenig begeistert zurückgelassen. Anfangs startete ich begeistert in den Roman, doch dann trugen die Sprünge, die durch ein Weißes Rauschen gekennzeichnet sind und mich in weitere Handlungsstränge hineinfallen ließ, wie in eine Radiosendung während eines Suchlaufs bei zu schlechtem Empfang des letzten Senders, dazu bei, dass ich den Faden verlor. Der Roman war mir zu komplex und verwirrend, ich konnte den Zusammenhängen nur schwer folgen. Das fand ich letztlich sehr schade, denn die Idee hinter dem Weißen Rauschen fand ich wirklich gelungen.

3. Sonja Harter – Weißblende
Klappentext. Matilda hat sich ihr Leben eingerichtet, ist eine gute Schülerin, ein wenig Außenseiterin, dafür aber Liebling der Lehrer. Sie lebt mit ihrem Vater in einem engen Tal mit wenigen Fluchtmöglichkeiten, in dem sich nicht nur am Rande der Bergstraßen die Abgründe auftun. Ihre Mutter, erzählt man ihr, sei bei ihrer Geburt gestorben. Ihre Großmutter, sagt man ihr, dämmere in einem Heim dahin. Doch ausgerechnet diese angeblich Demente wird ihr den Schlüssel zur Wahrheit über ihre Mutter liefern. Und dann tritt noch Alain Bonmot in Matil-das Leben. Der Franzose nähert sich ihr wie niemand zuvor. Er ist es, der aufhört, sie als Kind zu betrachten und die junge Frau in ihr zum Vorschein bringt. Mit ihm begibt sie sich auf eine Reise in die Ebene. Doch die harmlose Fahrt ins Blaue gerät schnell zu einem Road Trip voller Irrungen und Wirrungen.
Eindringlich und mit beeindruckender Konsequenz erzählt die als Lyrikerin bekannte Sonja Harter in Weißblende von einem ungewöhnlichen Aufbruch: einem Aufbruch aus dem Tal, einem Aufbruch ins Erwachsensein; und davon, dass mancher Aufbruch auch in den Absturz führen kann, wenn man von dem Falschen an der Hand genommen wird.

Meine Meinung. Sonja Harters Roman zählte von Beginn an zu meinen Favoriten und belegt für mich letztlich auch einen guten dritten Platz. Warum es „nur“ der dritte Platz wurde? Nun, ich finde eben, dass es Sonja Harter nicht gelungen ist, mit beeindruckender Konsequenz das Leben des Mädchens und der späteren Frau Matilda zu erzählen. Alleine sprachlich ist die Geschichte für mich weiter hinten im Buch „gebrochen“. Unter Umständen war dies auch ein stilistisches Mittel, um das Gebrochen sein der Frau zu schildern, die durch ihre schwerwiegenden Mißbrauchserfahrungen ihren jugendlichen Träumen und der Sehnsucht nach einem lebendigem, selbstbestimmten Leben nicht mehr folgen kann. Wenn dem so war, habe ich es nicht als solches erlebt. Darüber hinaus wirkte der Roman auf mich sehr, wie soll ich sagen, „durcheinander“? Durch die verschiedenen Erzählstränge wurde es mir auch hier, ähnlich wie im zuvor genannten Roman von Uli Wittstock, erschwert, der lesenswerten und aufrüttelnden Thematik des Romans zu folgen.

4. Katharina Winkler – Blauschmuck
Klappentext. Filiz wächst in einem kurdischen Dorf in der Türkei auf. Sie ist zwölf, als sie sich in den um wenige Jahre älteren Yunus verliebt und mit ihm von einem gemeinsamen Leben im Westen träumt: »›Wie wollen wir leben, Yunus?‹ / ›In Jeans. Wir werden Jeanshosen tragen. In Deutschland.‹« Mit fünfzehn heiratet sie Yunus – heimlich und gegen den Willen ihres Vaters. Doch mit der Hochzeit platzen auch die Träume von Freiheit und Autonomie: Statt Jeans trägt Filiz jetzt Burka; gemeinsam mit den drei Kindern, die in dieser Ehe geboren werden, ist sie der körperlichen und seelischen Brutalität ihres Mannes und ihrer Schwiegermutter ausgesetzt. Daran ändert auch die Emigration der Familie in den Westen nichts – vorerst. Denn nach einer neuerlichen Eskalation der Gewalt gelingt Filiz das vermeintlich Unmögliche: die Befreiung aus physischer und psychischer Abhängigkeit.

Katharina Winklers Debütroman »Blauschmuck« beruht zur Gänze auf wahren Begebenheiten. Er macht die Abgründe von Abhängigkeit und brutaler Unterdrückung anschaulich und erzählt vom Leben einer Frau, in dem Liebe und Gewalt nicht nur untrennbar, sondern nicht mehr zu unterscheiden sind.

Meine Meinung. Ich war erschüttert, berührt, voller Tränen, voller Leere… Dieses Buch war eine andauernde Achterbahnfahrt heftigster negativer Emotionen für mich, die durch die poetische Sprache Katharina Winklers gleichsam verstärkt als auch erträglicher wurden. Ich kann jedem dieses Buch empfehlen! Es hat mich auf ganzer Linie überzeugt! Dass das Werk auf der Grundlage einer wahren Begebenheit entstand, macht es zwar noch grausamer (und man muss einiges aushalten, liest man dieses Buch!), doch noch lesenswerter in meinen Augen. Dennoch bekam Katharina Winkler von mir letzten Ende den zweiten Platz. Es war knapp, wahnsinnig knapp und eigentlich hatte ich mich für sie als Kandidatin entschieden… wäre mir nicht mein heimlicher Favorit, der mich von Anfang an schon nicht losließ und den ich deshalb erst ganz am Ende las, so umgehauen und überzeugt hätte…

5. Philip Krömer – Ymir oder: Aus der Hirnschale der Himmel
Klappentext. Drei Männer begeben sich am Vorabend des Zweiten Weltkriegs auf eine Expedition nach Island. Ihr Auftrag ist es, ein scheinbar bodenloses Loch zu untersuchen, dessen Geheimnisse den im Ausbruch begriffenen Krieg entscheiden könnten. Doch niemand hat sie auf das vorbereitet, was sie tief im Inneren der Erde erwartet … Ein Roman über Geschichte und die Möglichkeiten ihrer Vermittlung, über Weltentwürfe und deren Zerbrechlichkeit, und nicht zuletzt über die Macht des Wortes. Mit Ymir legt der 27-jährige Autor und Open-Mike-Preisträger ein bestechendes Romandebüt vor, in dem die Fantasie auf allen Erzählebenen die Zügel schießen lässt. Voller Fabulierlust wird hier ein Leseerlebnis erdichtet, das Protagonisten und Leser in den hintersten Winkel des irdischen Mutterschoßes (und darüber hinaus?) führt.

Meine Meinung. Dieses Buch hat alles, was ich mir von einem Buch erträume, erhoffe, erbete… (a) es hat etwas zu sagen: wir erlesen uns ein wenig Geschichte, die jeder kennen sollte, (b) es ist witzig: trotz der Thematik musste ich immer mal wieder schmunzlen, ( c) es ist herzerwäremend: schon der Anfang… dort, wo der Ich-Erzähler mich ins Haus bittet, an dessen schwere Eichentür ich zuvor dumpf-hallend gekolpft hatte und in dessen alten samtweichen Sessel ich seiner Geschichte lausche, (d) das Buch ist wunderschön aufgemacht, mit Illustrationen, über denen man verweilen kann und will (e) es beschäftigt sich mit meinem liebsten, nämlichen den nordischen, Mythen und (f) es ist dabei so völlig absurd geschrieben, dass ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskam! Das Buch überzeugte mich durch das Gesamtpaket, könnte man sagen. Natürlich greift Katharina Winklers Roman deutlich brisantere Themen auf, die Gehör finden müssen und sollen! Doch Philip Krämer gelang es, dass ich freiwillig mit in das Loch fiel, das die drei untersuchten und bereit war, ebenfalls unter den Klängen der gespielten Wagner-Oper mein Leben aufs Spiel zu setzen. Und das war gut, es war anders, es war neu und somit ist Philip Krömers Debütroman „Ymir oder: Aus der Hirnschale der Himmel“ mein Kandidat für die Bloggerpreis 2016!

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Wie geht es Euch damit? Habt Ihr von diesen Romanen bereits einen gelesen? Welcher würde Euch interessieren? Ich bin auf Kommentare gespannt!

Hier übrigens noch der Link zu der Übersicht aller teilnehmender Literaturblogger:
Das Debüt – Literaturblogger